Ja, mit dem Thema Nachhaltigkeit müssen sich Vermittler wegen der zunehmenden Regulierung befassen – ob sie wollen oder nicht. Wer sich aber entscheidet, mehr zu tun, als der Gesetzgeber verlangt, wird Vorteile haben.
Es sind wieder neue, lästige Aufgaben, die es zu erfüllen gilt, die aber doch eigentlich nichts bringen? Dass Vermittlerinnen und Vermittler nun über das Thema Nachhaltigkeit mit ihren Kunden sprechen müssen, passt nicht jedem und wird entsprechend als Zeitfresser oder lästiges Übel gesehen.
Deshalb ging auch ein gewisses Aufatmen durch die Branche, als das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) gegenüber Verbänden klarstellte, dass Vermittler nach Paragraf 34f der Gewerbeordnung (GewO) nicht zwingend zu ermitteln brauchen, wie ihre Kunden zum Thema Nachhaltigkeit stehen. „Im Austausch mit dem BMWK hat man uns nun offiziell bestätigt, dass die maßgebliche Delegierte Verordnung 2017/565 in der ab August geltenden Fassung ausschließlich von Wertpapierfirmen im Rahmen der Geeignetheitsprüfung berücksichtigt werden muss und keine direkte Anwendung auf Paragraf-34f-Vermittler findet“, gab Votum-Vorstand Martin Klein zu Protokoll.
Beim Appell wird’s nicht bleiben
Also kann man sich das Thema sparen und wieder zur Tagesordnung übergehen? Besser nicht. Denn, so der Verband weiter, man hoffe im Ministerium, dass die Vermittler ihre Kunden freiwillig nach deren Nachhaltigkeitsvorlieben fragen. Jedoch erwartet Klein nicht, dass es dabei bleibt. „Wir gehen aufgrund ergänzender Informationen davon aus, dass es bei diesem Appell zur Freiwilligkeit nicht bleiben wird, sondern der Gesetzgeber aktiv werden muss.“ Auch Norman Wirth, Vorstand des Bundesverbands Finanzdienstleistung AfW, empfiehlt, sich mit Zulassung nach Paragraf 34f Gewerbeordnung intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit zu befassen, zu qualifizieren und das Thema beim Kunden entsprechend der gesetzlichen Vorgaben umzusetzen.
Aber Vermittlerinnen und Vermittler sollten sich sowieso abseits der gesetzlichen Vorgaben mit dem Thema beschäftigen. Denn wer sich als „grüner“ Vermittler positioniert – und das Thema Nachhaltigkeit auch tatsächlich verinnerlicht hat –, kann Vorteile im Wettbewerb mit anderen Maklern haben. Welche sind das?
Wer mit dem Kunden über nachhaltige Versicherungen, Geldanlagen und Co. spricht, tauscht sich mit ihm über höhere Werte aus, über das, was ihm wichtig ist. Vermittler können also auf einer Ebene kommunizieren, die vertrauensbildend und beziehungsstärkend ist. Das ist gerade im Gegensatz zum voll automatisierten Vertrieb über Vergleichsportale, Insurtechs oder Direktversicherer ein entscheidender Vorteil für die Kundenbindung.
Oft loyalere Kunden
Vermittlerinnen und Vermittler, die sich in ihrer Region zum Thema Nachhaltigkeit positionieren, erhalten auch einen Vorsprung gegenüber Wettbewerbern, die das nicht machen. Denn sie können sich auf diese Weise ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen und die Zielgruppe der nachhaltig orientierten Menschen alleine bedienen. Eine Zielgruppe übrigens, die oft gut ausgebildet ist, über einiges an Geld verfügt und nicht so schnell nur wegen eines günstigeren Preises den Anbieter wechselt – kurz: sehr spannende Kundinnen und Kunden für die Vermittlerschaft. Über Nachhaltigkeitsthemen können Vermittlerinnen und Vermittler auch zeigen, dass sie sich weiterbilden und weiterentwickeln und ein Angebot haben, das individueller und spezieller ist als das vieler Wettbewerber am Markt.
Peter Schmidt, Unternehmensberater und Inhaber von Consulting & Coaching Berlin, sieht noch weitere Vorteile einer Positionierung als „grüner“ Vermittler. „Indem Sie die gesamte Wertschöpfungskette, den Workflow, in Ihrem Unternehmen nach ökologischen Gesichtspunkten gestalten, werden Sie zu wichtigen Schlussfolgerungen für Ihr Geschäftskonzept kommen, die wir auch in unsere Strategieberatungen einfließen lassen“, schrieb er vor Kurzem in einem Gastbeitrag für Pfefferminzia.de. Als Erstes sei hier etwa der Mehrwert durch eine ganzheitliche Kundenberatung und -betreuung zu nennen.
Vermittler können über Nachhaltigkeitsthemen zeigen, dass sie sich weiterbilden und
ein Angebot haben, das individueller und spezieller ist als bei vielen anderen im Markt
Es sei aus Sicht des Kundenservice, der Kundenbindung und auch der Schonung von Ressourcen wertvoller, Kunden ganzheitlich zu beraten und zu betreuen. Schmidt: „1.000 Kunden mit jeweils ein oder zwei Verträgen sind eben nicht so nachhaltig zu betreuen, wie 300 Kunden mit jeweils zehn Verträgen. Allein betriebswirtschaftlich werden Sie schnell nachhaltige Effekte bemerken, die sich sofort und auch zukünftig im Wert Ihres Unternehmens widerspiegeln.“ Die Kommunikation werde intensiver und damit der Aufwand pro Kunde kleiner. Positive Wirkungen auf die Kundenloyalität seien ebenso garantiert.
Als zweiten Punkt nennt der Unternehmensberater, der übrigens ein Nachhaltigkeitsrating für Vermittler anbietet (mehr dazu ab Seite 74), ein digitales Geschäftsmodell. Die Umsetzung aller Möglichkeiten der Digitalisierung und Kommunikation sei für Vermittlerunternehmen wirtschaftlicher und effektiver.
„Denken Sie nur an herkömmliche Verwaltungsprozesse wie die Kundenakten, Courtageabrechnungen, Schadenaufnahmen und die Dokumentation. Digital geht alles schneller, spart Kosten und trägt so zu mehr Ertrag bei. Doch nicht nur die finanzielle Lage des Unternehmens wird besser. Digitalisierung stärkt auch die soziale Nachhaltigkeit“, erklärt Schmidt. Flexible Arbeitszeiten und -orte für die Mitarbeitenden würden nur durch eine gute digitale Basis möglich, trügen dann aber beispielsweise auch zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei. „Positive Wirkungen auf die Mitarbeiterloyalität sind dann natürlich auch zu erwarten“, prognostiziert Schmidt.
Wer mit dem Kunden über nachhaltige Versicherungen spricht, tauscht sich mit ihm über höhere Werte aus, über das, was dem Kunden wichtig ist
Als dritten Punkt schließlich nennt der Vertriebsexperte die transparenteren Verträge zwischen Kunden und Vermittler. „Wenn ein Makler in seine Maklerverträge aufnimmt, dass er beispielsweise nur Versicherungs- oder Anlageprodukte vermittelt, die bestimmten ökologischen oder sozialen Gesichtspunkten entsprechen, dann besteht für Kunden auch in dieser Frage Transparenz“, so Schmidt. „So kann vermieden werden, dass beispielsweise ein ‚grünes‘ Investment, das sich zwar mittelmäßig in der Rendite entwickelt, aber unter ökologischen Gesichtspunkten gewinnt, nicht zum späteren Streitpunkt um Prozente wird.“
Fazit: Tun Sie mehr, als es der Gesetzgeber verlangt. Das hat nicht nur Vorteile für Ihren Vermittlerbetrieb, sondern auch für Ihre Kundschaft und – ach ja! – auch für den Planeten.
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