Es ist gar nicht so einfach, ein klares Bild zu bekommen. Klar gibt es viele Studien, die die Frage stellen, wie wichtig den Deutschen nachhaltiges Handeln und Geldanlegen ist. Die Ergebnisse gehen aber durchaus auseinander. So hat eine Umfrage im Auftrag des Direktversicherers Cosmos Direkt zum Beispiel ergeben, dass für 57 Prozent der Menschen in Deutschland Nachhaltigkeit ein wichtiges Kriterium bei der Geldanlage ist.
Dass etwa in Fonds nur Aktien von Unternehmen enthalten sein sollen, die nach ökologischen und sozialen Kriterien wirtschaften. Dagegen offenbart eine Studie der Fondsgesellschaft Union Investment, dass zwar zwei von drei Deutschen das Thema Nachhaltigkeit grundsätzlich wichtig ist – sich aber nur jeder Zehnte bei seiner Geldanlage für „grünere“ Produkte interessiert.
Dann heißt es wieder, insbesondere die jüngeren Generationen interessierten sich für nachhaltige Geldanlagen. Die unter 30-Jährigen seien auch eher bereit, für ein ökologisch-soziales Produkt höhere Kosten zu tragen oder eine geringere Rendite in Kauf zu nehmen. 43 Prozent von ihnen würden das laut einer Umfrage der Team Bank aus Nürnberg tun. Das seien 18 Prozentpunkte mehr als in der Altersgruppe ab 50 Jahren und 11 Prozentpunkte mehr als der Bundesschnitt. Laut einer Studie von Vattenfall dagegen erwärmen sich Menschen über 60 Jahren eher für nachhaltige Geldanlagen. Bei den 18- bis 29-Jährigen sind es nur 29 Prozent.
Ja, was denn nun?
Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Was aber tatsächlich ein einhelliges Ergebnis der diversen Umfragen ist: Sprechen Vermittler und Berater das Thema Nachhaltigkeit an und klären die Verbraucher darüber auf, dann sind diese eher bereit, grüne Geldanlagen oder Versicherungen zu kaufen.
Wenn es ums tägliche Leben geht, spielt Nachhaltigkeit in den Köpfen der Menschen oft schon eine große Rolle. Bei Geldanlagen ist das anders – doch dafür gibt es einen Grund
„Geldanlage und Nachhaltigkeit werden bislang überwiegend als getrennte Welten wahrgenommen. Mit mehr Informationen gelangen jedoch viele Menschen zu der Überzeugung, dass sich Finanzanlagen und Nachhaltigkeit gut verbinden lassen“, kommentieren die Experten der Volksbank Dreieich, dem Fondspartner von Union Investment, ihre Umfrage-Ergebnisse. Vielen Menschen werde eben erst dann richtig bewusst, dass sie mit ihrer Geldanlage auch einen Beitrag zu einer nachhaltigen Veränderung der Wirtschaft leisten könnten.
Der Studie zufolge geben dann 32 Prozent der informierten Befragten an, bei der Auswahl von Finanzanlagen künftig auf Nachhaltigkeit achten zu wollen – immerhin ein Plus von 22 Prozentpunkten gegenüber dem ursprünglichen Anteil. Darüber hinaus sorgen Informationen auch für ein differenzierteres Nachhaltigkeitsverständnis. Dann geht es den Menschen eben nicht mehr nur um ökologische Aspekte wie den Klima- und Umweltschutz. Sondern auch um soziale und faire Produktionsbedingungen, eine verantwortliche Unternehmensführung oder Gleichberechtigung.
„Nachhaltigkeit ist kein Selbstläufer“ ist auch Jörg Arnold, Vorstand von Swiss Life Deutschland, überzeugt. „Erst wenn Menschen von Fachleuten über die Möglichkeiten und Optionen informiert werden, entsteht echtes Interesse. Die Finanzberatung ist damit ein wichtiger Hebel, Nachhaltigkeit in die Gesellschaft zu tragen“, so Arnold weiter. Neben der Beratung sei auch der Wunsch nach verständlichem Informationsmaterial und einheitlichen Standards groß.
Nun ja, die einheitlichen Standards lassen ja leider noch auf sich warten. Und das führt dann auch nicht gerade zu einem ausgeprägten Vertrauen gegenüber „grünen“ Produkten und auch Marktteilnehmern. „Die durchaus vorhandene Skepsis bei über einem Drittel der Bevölkerung gegenüber nachhaltigen Geldanlagen sollte der Politik und genauso der Finanzwirtschaft Anlass zur Reflexion geben“, findet Michael Heuser, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (Diva).
„Zu diesem Misstrauen trägt sicherlich auch die Entscheidung der Europäischen Union bei, Atomenergie und Investitionen in neue Atomkraftwerke als nachhaltige Übergangstechnologie einzustufen“, so Heuser weiter. Gerade deutsche Anlegerinnen und Anleger sähen das anders oder seien angesichts der Energiepolitik der vergangenen Jahre zumindest irritiert. Heuser: „Auch die Finanzwirtschaft muss Signale ernst nehmen, dass bei vielen Diskussionen Verdachtsmomente für Greenwashing aufgekommen sind.“ Mehr zum Thema Greenwashing lesen Sie ab Seite 76.
Sicherheit ist wichtiger
Nachhaltigkeit muss bei Geldanlage-Entscheidungen daher immer noch hinter der Sicherheit der Anlage, ihrer Rendite und Liquidität zurückstecken. „Für die Finanzbranche kann das nur heißen, möglichst Anlageprodukte zu entwickeln, die gleichermaßen Sicherheit, Rendite und Nachhaltigkeit bieten. Unter Marketingaspekten wäre eine Überbetonung des Kriteriums Nachhaltigkeit nicht zielführend“, stellt Heuser fest.
Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater (BDV), des Trägers des Diva, sieht zudem die Anfang August 2022 in Kraft getretene Verpflichtung für Vermittler kritisch, nach der Kunden zu ihren Präferenzen zur Nachhaltigkeit befragt werden müssen. „Die über 200.000 Vermittler in Deutschland wären die besten Botschafter für nachhaltige Geldanlagen und würden mit Sicherheit das Thema sehr schnell in der Bevölkerung verbreiten. Aber es ist ein Unding, dass die Verpflichtung nur für Versicherungsanlageprodukte, nicht aber für Investmentfonds gilt“, so Lach. Außerdem seien es am Ende die Vermittler, die den Ärger des Kunden abbekämen, wenn sich als nachhaltig deklarierte Geldanlagen im Nachhinein als Mogelpackung herausstellten. Man hätte alle Unstimmigkeiten der Taxonomie im Vorfeld beseitigen müssen, dann könnten die Vermittler ihrem Auftrag auch nachkommen, schimpft der Experte.
Kein allzu einfaches Umfeld für Vermittler also. Aber sie sind dennoch wichtige Botschafter für das Thema und sollten daher am Ball bleiben – bis die Politik dann auch irgendwann mal aufgeholt hat.
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