In der Lebensversicherung lässt sich die Altersvor-sorge heutzutage schon weitgehend grün gestalten. Allerdings ist das Angebot nachhaltiger Fonds noch ausbaufähig. Das gilt auch für die grüne Arbeitskraftabsicherung, die noch in den Kinderschuhen steckt
Nachhaltigkeitskriterien bei der Altersvorsorge gewinnen für die Bürgerinnen und Bürger immer mehr an Relevanz. So halten 48 Prozent der deutschen Bevölkerung das Thema Nachhaltigkeit bei der Altersvorsorge für wichtig oder sehr wichtig. Insbesondere die Wahrung von Menschenrechten (60 Prozent) und der Klima- und Umweltschutz (48 Prozent) spielen eine bedeutende Rolle. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Altersvorsorge-Start-ups Vantik ergeben. Dafür hatte der Marktforscher Civey im Mai 2020 rund 8.600 Bürgerinnen und Bürger befragt.
Das Potenzial der nachhaltigen Produkte in der Altersvorsorge ist also enorm. Und in der Tat sieht man eine deutliche Zunahme nachhaltiger Produktangebote, gerade bei Fondspolicen. Die Zahl an ESG-Fonds nimmt stetig zu, und auch Wertsicherungsfonds sind inzwischen grün. Auch die Versicherer selbst stellen ihren Deckungsstock auf „grünere“ Füße. Denn was bringt ein nachhaltiges Produkt, wenn man als Versicherer zum Beispiel gleichzeitig in Ländern mit wenig nachhaltigen Standards investiert?
Fehlende Transparenz und Überprüfbarkeit ist laut der Vantik-Umfrage auch ein Grund, warum Nachhaltigkeit bislang noch keine größere Rolle bei den Kunden spielt. Zu oft wittern Kunden hinter nachhaltigen Produkten nur eine „grüne“ Marketingstrategie.
Und tatsächlich hat eine Untersuchung der ESG-Qualität von 24 Tarifen fondsgebundener privater Rentenversicherungen durch die Beratungsboutique Smart Asset Management (SAM) ergeben, dass das Angebot noch verbesserungsbedürftig ist. Demnach bieten nur 12 der 24 untersuchten Rentenversicherungen, „ein qualitativ und quantitativ ausreichendes Angebot an Einzelfonds“ an, wie SAM-Chef Thorsten Dorn auf Basis der Studie berichtet.
„Zwar hat sich das Angebot an Einzelfonds im Vergleich zum Vorjahr mit aktuell rund 600 anwählbaren Einzelfonds innerhalb der von uns untersuchten Tarife und Fondspaletten mehr als verdoppelt. Das heißt aber nicht, dass sich die Qualität ebenso gesteigert hat“, so Dorn. „Nur die Hälfte der untersuchten Tarife verfügt über ein ausreichendes Angebot an Fonds und ETFs in den von uns definierten 15 wichtigsten Asset-Klassen.“ Genau das sei jedoch entscheidend, „um eine strategische Asset-Allokation umzusetzen, solide Portfolios zu bauen und gleichzeitig den Kunden hinsichtlich Renditeerwartung, Risikobudget und Nachhaltigkeitsbedürfnis gerecht zu werden“, so Dorn.
Bei der Rendite nicht unterlegen
Neben dem noch nicht ausgereiften Angebot gibt es noch eine weitere Hürde, die die Verbreitung einer grünen Altersvorsorge hemmt. Nämlich der Glaube, dass „grüne“ Produkte den konventionellen von der Rendite her unterlegen seien. Dabei gibt es inzwischen eine Vielzahl von Studien, die belegen, dass nachhaltige Investments in Sachen Rendite genauso gut sind oder dem Kunden sogar mehr Rendite bescheren.
Die Altersvorsorge ist aber nicht der einzige Bereich in der Lebensversicherungssparte, den man nachhaltig ausgestalten kann. Auch bei der Arbeitskraftabsicherung funktioniert das, zumindest in Teilen. Etwa, indem die Rückstellungen, die in den ersten Jahren gebildet werden, in nachhaltige Anlagen fließen. Oder man wählt für die Überschussverwendung die Fondsanlage. „Die Fonds lassen sich dann nach ESG-Kriterien auswählen, und schon wird es nachhaltiger. Wer mag, kann noch den Schritt weitergehen und einen der beiden Anbieter auswählen, die die BU-Versicherung komplett fondsbasiert kalkulieren“, schreibt der auf Biometrie spezialisierte Makler Philip Wenzel in einer Kolumne auf Pfefferminzia.de dazu.
Aber vielleicht zählt in diesem Bereich auch eher die Nachhaltigkeit auf den zweiten Blick. So was wie eine stabile Kalkulation. Wenzel: „Der Versicherer, der heute wenig Beitrag verlangt, weil er Neugeschäft will, hat im Zweifel weniger Spielraum als der Versicherer, der jetzt vorsichtiger kalkuliert. Beide haben die gleichen Möglichkeiten, um Beitrag und Leistung anzupassen. Wer wird diese wohl eher nutzen müssen? Das wäre ja auch eine Art Nachhaltigkeit, dass die Beiträge eher stabil bleiben, wenn ich heute 10 Prozent mehr bezahle.“
Und ist es nicht auch ein bisschen ESG, wenn die Versicherungsbedingungen eines Berufsunfähigkeitsproduktes zum Beispiel transparent und einfach formuliert sind? Wenn die Versicherer hier also auf Fachchinesisch oder Juristendeutsch verzichten, damit die Kunden besser verstehen, was sie da eigentlich kaufen? Nachhaltiger kann man die BU-Versicherung oder andere Produkte zur Arbeitskraftabsicherung auch machen, indem man Präventionsmaßnahmen in das Produkt baut. Hier sind wir beim Thema Gesundheit – auch eines der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Kostenlose Ernährungsberatungen zum Beispiel oder Nichtraucherprogramme können hier sinnvoll sein.
Und wenn der Versicherer dem berufsunfähigen Kunden dabei hilft, schneller wieder in seinen Job zurückzukehren, ist auch das sozial und damit nachhaltig. Beratungen oder Coachings, die dem Betroffenen bei Umschulung und Co. helfen, wenn eine Rückkehr in den alten Beruf nicht mehr möglich ist, stiften auch Sinn.
Mut und Transparenz gefragt
Es gibt also viele Möglichkeiten, die Lebensversicherung nachhaltiger zu gestalten. Etwas Mut und Initiative seitens der Versicherer können hier viel bewirken. Ebenso wie Transparenz. Denn ohne Vertrauen in die grünen Produkte werden die Kundinnen und Kunden den Weg der Branche nicht mitgehen
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