Klima ausser Kontrolle

Gelingt es nicht, die Erderwärmung zu stoppen und auf 1,5 Grad zu begrenzen, wird das dramatische Folgen haben – für Menschen, Tiere, Volkswirtschaften und auch Versicherer. Deswegen ist das Thema Nachhaltigkeit so wichtig. Und dass jeder etwas dazu beiträgt, das Klima zu retten.

Es ist wieder mal eine schlechte Nachricht in einer ganzen Reihe alarmierender Nachrichten: Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre hat deutlich zugelegt. Wie Forscher der amerikanischen Klima­behörde NOAA berechnet haben, lag sie 2021 bei 414,7 Teilen pro Million (PPM) – und damit 2,3 PPM höher als im Vorjahr. Der Wert sei der „höchste seit mindestens einer Million Jahren“, warnen die Klimaforscher. 

Aber damit nicht genug. Wissenschaftler haben auch berechnet, wie sich die Eisschmelze in Grönland auf den Meeresspiegel auswirken könnte. Weil das Eis schmilzt und wenig Schnee nachkommt, würde der grönländische Eisschild selbst bei einem prompten Ende des Klimawandels 3,3 Prozent seines Eises verlieren. Das treibt den weltweiten Meeresspiegel um gut 27 Zentimeter nach oben. Mit dem Klimawandel könnte der Meeresspiegel um bis zu 78 Zentimeter steigen. Das hätte dramatische Folgen für viele Menschen.

Aber man braucht gar nicht in die Zukunft zu schauen, um zu merken, dass sich auf dem Planeten unschöne Dinge ereignen: Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen haben das Jahr 2022 bereits geprägt. Und die Herbst- und Wintersturm-Saison beginnt erst. 

Diese Tendenz macht auch den Versicherern Sorgen. „Bis auf Weiteres können wir den Klimawandel und die daraus entstehenden Schäden schultern. Das geben unsere Studien und Risikomodelle her“, sagte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Versichererverbands GDV, in einem Interview im Januar 2021. Das Aber schob er gleich hinterher: „Wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung unter dem 2-Grad-Ziel des Pariser Klimagipfels zu halten, dann werden wir etwa die Versicherung von Naturgefahren nicht in der bestehenden Form fortführen können. Die Weltbank hat schon 2012 in einem Bericht darauf aufmerksam gemacht, dass eine + 4-Grad-Welt nach traditionellen Maßstäben nicht mehr versicherbar sein wird.“

Ein Beispiel: In Deutschland häufen sich die Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad, wie eine vom GDV in Auftrag gegebene Analyse von Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zeigt. In den vergangenen zehn Jahren wurden bundesweit im Schnitt 11,1 Hitzetage jährlich gezählt. Das sind dreimal so viele wie noch in den 1950er-Jahren. Tendenz weiter steigend. Und die heißeren Tage haben noch eine weitere Folge, nämlich intensivere Starkregen-, Hochwasser- und Sturzfluten, weil die aufgeheizte Atmosphäre mehr Feuchtigkeit speichern kann. „Flutkatastrophen wie jüngst an Ahr und Erft zeigen, mit welcher Wucht uns der Klimawandel treffen und welches Ausmaß er anrichten kann“, sagt Asmussen. 

Das Jahr 2021 ging wegen der Flutkatastrophe als teuerstes Naturgefahrenjahr in die Annalen des GDV ein. 8,2 Milliarden Euro verursachte allein die Sturzflut im Sommer. Davon entfielen etwa 7,7 Milliarden Euro auf Wohngebäude, Hausrat und Betriebe und rund 450 Millionen Euro auf Schäden an Autos. Zusammen mit teuren Hagelschäden aus dem Frühjahr mussten die Versicherer 2021 ganze 12,5 Milliarden Euro versicherte Schäden schultern. Das ist mal als Ausnahme zu verkraften. Aber dauerhaft sicherlich nicht. 

Aber nicht nur die Versicherer stehen vor riesigen Herausforderungen, sondern die gesamte deutsche Wirtschaft. Gelingt es nicht, die Erderwärmung zu stoppen und auf 1,5 Grad zu begrenzen, würde das erhebliche volkswirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte. Danach drohen der deutschen Wirtschaft bis 2070 klimawandelbedingte Schäden von 730 Milliarden Euro und ein Verlust von bis zu 470.000 Arbeitsplätzen. 

Deloitte geht davon aus, dass die Temperaturen ohne entschiedenes Gegensteuern bis zum Ende des Jahrhunderts um 3 Grad steigen werden. „In dieser 3-Grad-Welt ist die Volkswirtschaft durch mindestens sechs Kanäle negativ betroffen: Hitzestress, Schäden am Kapitalstock, Verlust von Agrarland sowie landwirtschaftlichen Erträgen, sinkende Tourismuseinnahmen und Belastungen der menschlichen Gesundheit“, schreiben die Wissenschaftler.

Umgekehrt eröffnet die Studie in einem zweiten Szenario aber auch positive Perspektiven für unser Land: Wenn Deutschland konsequent handele, einen Beitrag zum globalen 1,5-Grad-Ziel leiste und bis 2050 Klimaneutralität erreiche, seien die wirtschaftlichen Vorteile substanziell, so die Prognose der Zukunftsforscher. In diesem zweiten Szenario müsse Deutschland in den kommenden Jahren zwar deutlich in die Transformation seiner Wirtschaft investieren, wodurch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zunächst etwas niedriger ausfallen werde als im ersten Szenario des Nichthandelns. Ab 2038 beschleunigten sich dann aber die Wachstumseffekte, und im Jahr 2070 werde das deutsche Bruttoinlandsprodukt schließlich um 2,5 Prozent größer sein als ohne eine aktive Klimapolitik. Auch die Zahl der Arbeitskräfte werde um über 800.000 zunehmen, insbesondere in der sauberen Energiewirtschaft und im Dienstleistungssektor.

Wie hoch müssten diese Investitionen sein? Das haben Prognos, Nextra Consulting und das Institut für nachhaltige Kapitalanlagen (NKI) mal ausgerechnet. Um bis Mitte des Jahrhunderts Klimaneutralität zu erreichen, müssten in Deutschland insgesamt rund 5 Billionen Euro an Investitionen 

geleistet werden. „Das ist eine gewaltige Summe, aber es ist machbar“, sagt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), welche die Studie in Auftrag gegeben hatte. Verteile man diese Klimaschutz­investitionen auf die bis zum angestrebten Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 verbleibende Zeit, entstehen Investitionsbedarfe von durchschnittlich 191 Milliarden Euro pro Jahr beziehungsweise 5,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts.

Diese hohen Beträge relativierten sich, wenn man berücksichtige, dass die Klimaschutzinvestitionen bereits solche Investitionen umfassten, die ohnehin getätigt werden müssten, so die Autoren. Diese Gelder müssten „nur“ verstärkt in Alternativen gelenkt werden, die einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten, wie es hieß. Die klimaschutzbedingten Mehrinvestitionen liegen demnach bei jährlich durchschnittlich 72 Milliarden Euro beziehungsweise 1,9 Billionen Euro bis 2045.

Der Klimawandel erzwingt laut der Studie die Dekarbonisierung aller Wirtschaftssektoren, wobei die Investitionsbedarfe unterschiedlich seien. Der größte Teil mit 2,1 Billionen Euro entfalle auf den Verkehr. Die eigentliche Mehrinvestition, um eine Klimaneutralität zu erreichen, betrage allerdings nur rund 153 Milliarden Euro. Nach dem Bereich Verkehr folgt mit rund 840 Milliarden Euro der Sektor Energie. Hier seien bereits viele Weichen in die richtige Richtung gestellt, doch rund 396 Milliarden Euro von der Gesamtinvestitionssumme seien für die Transformation noch notwendig, befinden die Autoren. Auf die privaten Haushalte entfallen der Studie zufolge Klimaschutzinvestitionen in Höhe von 636 Milliarden Euro. Rund 40 Prozent beziehungsweise 254 Milliarden Euro hiervon seien Mehrinvestitionen, die vor allem durch die Schaffung eines klimagerechten Wohnungsbestandes bedingt werden.

In der Industrie müssten 620 Milliarden Euro in den Klimaschutz fließen. Das seien allerdings zu mehr als drei Vierteln Mehrinvestitionen, weil Produktionstechniken vielfach nur mit großem Aufwand klimafreundlich umgestellt werden könnten und der Sektor bisher weniger stark im Fokus der klimapolitischen Maßnahmen gestanden habe. Gewerbe, Handel und Dienstleistungen müssen nach Darstellung der Autoren mit rund 237 Milliarden Euro verhältnismäßig wenig in den Klimaschutz investieren. Davon seien etwa die Hälfte (113 Milliarden Euro) Mehrinvestitionen.

Fazit: Es ist Zeit, zu handeln. Jetzt. Jeder Mensch, jedes Unternehmen, jedes Land muss einen Beitrag zum Klimaschutz, zu mehr sozialer Gerechtigkeit, zu einer besseren Welt leisten. Erste Ansätze, wie das gehen kann, lesen Sie auf den folgenden Seiten dieses Durchblicks zum Thema Nachhaltigkeit.

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