Gift für kommende Generationen

Der Begriff „Greenwashing“ gewinnt in der Versicherungsbranche eine immer stärkere Bedeutung. Warum man sich ernsthaft mit diesem gefährlichen Trend beschäftigen sollte 

TEXT Volkmar H. Haegele

Schaue ich mir die Broschürenund Websites vieler Finanzdienstleister an, nehme ich immer häufiger die Begriffe „klimaneutral“ oder sogar „klimapositiv“ wahr. Manchen liegt „nachhaltiges Handeln schon immer in ihrer DNA“, manche verkünden, sie seien besser, sicher oder natürlich grün. Doch was davon ist Greenwashing?

Greenwashing ist, wenn sich Unternehmen durch ­Kommunikation, Marketing oder Einzelmaßnahmen als „grüner“, „nachhaltiger“ oder „klimaneutraler“ darstellen, als sie es   nachweislich sind. Hierdurch soll ein „grünes“ Image erreicht werden (die sieben Sünden des Greenwashings finden Sie in der Grafik rechts).


Die sieben Sünden des Greenwashings

Versteckte Kompromisse

Produkte werden mit umweltfreund­lichen Aspekten beworben und gleichzeitig schädliche Wirkungen der Kapitalanlage verschwiegen oder verneint

Fehlende Nachweise

Umweltfreundliche Attribute wie „klimaneutral“ oder „nachhaltig“ sagen ohne Zertifizierungen (unabhängiger Stellen) nichts über tatsächliche Gegebenheiten aus

Vage Aussagen

Unklare / missverständliche Aussagen wie „klimapositive Versicherung“
klingen zwar gut, sind aber nicht auto-
matisch gleichbedeutend mit Akti­vitäten, die dazu führen, den Anteil
der Treibhausgase langfristig wieder
auf das alte Niveau zu bringen

Irrelevanz

Es werden Angaben getätigt,
die zwar wahr sind, aber Allgemein­gültiges bewerben

Geringeres Übel

Es wird von negativen Auswirkungen eines Produktes abgelenkt, um im besseren Licht zu erscheinen. Entweder, indem diese überspielt oder mit einem noch weniger umweltfreundlichen Produkt verglichen werden

Lüge

Es werden sachlich falsche Aussagen getätigt, um Dritte gezielt in die Irre
zu führen

Falsches Label

Statt seriöse Zertifizierungen oder Labels zu benutzen, wird ein eigenes kreiert, das keine messbare Relevanz besitzt


Wer als seriös wahrgenommen werden, sich verbessern und etwas bewirken möchte, kommt um eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie nicht herum und sollte seine Nachhaltigkeitsziele offen kommunizieren, diskutieren, dokumentieren und evaluieren. „Die einschlägige Gesetzgebung ist auf unserer Seite: Jede werbende Aussage muss wahrheitsgemäß und beweisbar sein“, so Dietrich Ernst, der schon viele Erklärungen nach dem deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) mitgestaltet hat. Denn jeder Markt würde sich durch die Rückmeldungen der Marktteilnehmenden entwickeln. Jede Aussage müsse messbar und auch für Außenstehende nachvollziehbar sein.

Es kam schon die Frage auf, wie viel Transparenz überhaupt zumutbar sei? Was ist hilfreich oder gar kontraproduktiv? Das ist eine der Herausforderungen bei der Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen. Denn die ESG-Offenlegung sorgt zwar für mehr Transparenz – doch auch die Nährwertkennzeichnung legt vieles offen und sorgt trotzdem nicht für den Abbau von Übergewichtigkeit. Da es überall menschelt, müssen wir komplexe Situationen und Krisen wirkungsorientiert vom Ziel her angehen. 

Denn das Verrückte daran ist: Wir können gar nicht mehr auf blind oder taub schalten: Unser Heimatplanet hat in Millionen Jahren unter giftigen Bedingungen fossile Ressourcen in fester und flüssiger Form aufgebaut. Diese verbrauchen wir Menschen nun in einem Wimpernschlag der Weltgeschichte und jagen uralte Treibhausgase in die Luft, sodass sich nachweislich die globalen Lebensbedingungen verschlechtern. Die Menschheit – und da wirkt es irgendwie peinlich, wenn jemand sagt „Ja, aber wir in Deutschland …“ – ist gerade dabei, ihre Lebensgrundlage auf Kosten ihrer Kinder zu vernichten. Kontraproduktiv ist es daher, nichts oder zu wenig zu tun.

Was kann bei Greenwashing schlimmstenfalls passieren?

Nicht jede Werbung, die man für irreführend halten würde, ist es auch im rechtlichen Sinne. Greenwashing ist jedoch kein Kavaliersdelikt, denn es verwirrt die Menschen, die einen nachhaltigen Konsum anstreben. Langfristig führt das zu einem Vertrauensbruch und relativiert die Arbeit der Unternehmen, die tatsächlich einen positiven Beitrag für die Umwelt leisten wollen. Insofern ist Greenwashing Gift für die kommenden Generationen.

Strafrechtlich müssen Unternehmen noch nichts befürchten – hierzulande können nur natürliche Personen strafrechtlich belangt werden. Für Unternehmen sieht jedoch der Paragraf 30 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten) vor, dass auch gegen juristische Personen bei Vorliegen einer fahrlässigen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße von bis zu 5 Millionen Euro und im Falle von Vorsatz eine Geldbuße von bis zu 10 Millio­nen Euro verhängt werden kann. Der Imageschaden dürfte weitere Kosten mit sich bringen.

Gemeinsam Greenwashing vermeiden!

Statt beispielsweise über reine Kompensationsmaßnahmen ein „klima­neutrales Unternehmen“ sein zu wollen, sollte jedes Unternehmen versuchen, zunächst den CO₂-Fußabdruck festzustellen sowie Energie und andere Ressourcen einzusparen. Gebäude können gedämmt und effizientere Technik eingesetzt werden, um Wärmeverlust zu vermeiden. Erst „wenn dann noch Treibhausgas-Emissionen übrig sind, ergibt es Sinn, diese zu kompensieren“, sagt Roxane Liebich, Vorständin der Climaviva eG. Unternehmen, die nach qualifizierten Standards vorgehen und transparent berichten, würden bewusst Greenwashing vermeiden. Unsere Versicherungsbranche ist Teil des Veränderungsprozesses. Diesen können wir nicht mehr aufhalten. Wir können jedoch vorhandenes Wissen nutzen, um Gesundes zu bewirken.

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