Seit dem 2. August 2022 sind Anlageberater und Versicherungsvermittler dazu verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abzufragen. Viele Details sind zwar immer noch auf EU-Ebene zu klären, trotzdem gibt es schon viele Initiativen, die Vermittler bei der ESG-Abfrage unterstützen
Zwölf Monate nach ihrer Veröffentlichung trat sie pünktlich am 2. August 2022 in Kraft: Die „Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257“. Sie bringt eine Pflicht mit sich, vor der viele Versicherungsvermittler Respekt haben: die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen bei ihren Kunden – sie gilt für Produktgeber und Vermittler von Versicherungsanlageprodukten der dritten Schicht. Finanzanlagenvermittler (nach Paragraf 34f der Gewerbeordnung) brauchen ihre Kunden indes auch weiterhin nicht nach Nachhaltigkeit zu befragen – was bereits kontrovers diskutiert wurde.
Auch die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa hat nicht gerade dazu beigetragen, für mehr Klarheit unter den Versicherungsvermittlern zu sorgen, wie sie das Thema Nachhaltigkeit eigentlich künftig in ihren Beratungsprozess verankern müssen. Während die Aufsicht im April 2022 noch einen Entwurf für verbindliche Leitlinien („Guidelines“) vorlegte, veröffentlichte sie Mitte Juli nur noch „Hinweise“ („Guidance“) zur Integration von Nachhaltigkeitspräferenzen in den Beratungsprozess. „Die Eiopa hat hier erstaunliche Flexibilität gezeigt“, lobt Martin Klein, Vorstand des Vermittlerverbandes Votum. Denn es sei aktuell noch deutlich zu früh, um eine verbindliche Leitlinie zu formulieren.
Doch es gab auch Kritik am Vorgehen der Behörde: Erst zwei Wochen vor Inkrafttreten der Abfragepflicht habe die Behörde ihre Hinweise veröffentlicht. „Eine verantwortungsvolle Einstimmung auf diese wichtige Zukunftsaufgabe sieht anders aus“, findet Sabine Brunotte, Leiterin der Expertengruppe (EG) Nachhaltigkeit, die Ende 2021 als Teil des Arbeitskreises Beratungsprozesse ins Leben gerufen wurde. Der Arbeitskreis hat Hilfsmittel für Vermittler vorgelegt: die „Musterabfrage Nachhaltigkeitspräferenzen“ und das „Merkblatt Nachhaltigkeit“. „So lang wie nötig, so knapp wie möglich“, beschreiben die Experten das Ziel für den Bogen. Neben der Präferenzabfrage enthält er auch umfangreiche Erklärungen für Vermittler. Das Material wird angereichert um Tipps für ein nachhaltiges Maklerbüro.
Unterlagen werden optimiert
Das Projekt sei aber noch nicht abgeschlossen, betont Brunotte, zumal am 2. August 2022 wesentliche CSR-Berichtspflichten noch nicht in Kraft getreten seien und für vier von sechs Bereichen der Umwelt-Taxonomie noch technische Regulierungsstandards fehlten. „Wer heute glaubt, die finale Fassung einer belastbaren Präferenzabfrage für Versicherungsanlageprodukte in den Händen zu halten, kann nur irren“, so Brunotte. Zur Optimierung gehöre zum Beispiel auch, so die Expertin weiter, praktische Erfahrungen aus Kundengesprächen in das künftige Angebot einfließen zu lassen.
„Unsere Expertengruppe Nachhaltigkeit bringt viele engagierte Köpfe zusammen“, erklärt Michael Franke, Vorstand des Arbeitskreises Beratungsprozesse, in einer Mitteilung. So arbeiteten in dem Gremium die Vermittlerverbände AfW, BDVM, BVK und Verband der Fairsicherungsläden „Seite an Seite“ mit den Maklerverbünden Charta und Germanbroker.net zusammen, so Franke. Zudem steuerten die Allianz Leben, die Itzehoer sowie der nachhaltige Marktplatz bessergrün ihr Know-how ebenso bei wie das German Sustainability Network GSN.
Einige Verbände haben zudem eigene Initiativen gestartet, die Vermittler bei der ESG-Abfrage unterstützen sollen. Der Vermittlerverband Votum und der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW haben ihre Formulierungshilfen jüngst auf einen neuen Stand gebracht, mit denen Vermittler ihre gesetzlichen Pflichten erfüllen können. Sie hatten diese im Zuge der im März
2021 in Kraft getretenen Transparenzverordnung (TVO) verfasst. Neu hinzugekommen sind nun die Passagen, die sich mit den Nachhaltigkeitsvorlieben der Kundschaft beschäftigen.
Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hat eine entsprechende Checkliste für Versicherungsvermittler erarbeitet. Der BVK wolle damit alle Vermittler unterstützen, die ihre Positionierung beim Thema Nachhaltigkeit erstellen und überprüfen wollen. „Wir werden als Vermittler nur dann authentisch und kompetent von unseren Kunden wahrgenommen, wenn wir unsere eigenen individuellen Positionen zu Nachhaltigkeitsfragen kennen“, sagt BVK-Präsident Michael Heinz.
Der DIN-Ausschuss „Finanzdienstleistungen für Privathaushalte“ hat nach einer Konsultationsphase und der Einarbeitung von Optimierungsvorschlägen aus der Branche das Modul zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen endgültig verabschiedet. Das sogenannte „ESG-Modul“ wird Teil der bereits bestehenden DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“, kann aber auch eigenständig zur Anwendung kommen (mehr zur Norm ab Seite 102). Und: Auf Basis der Norm haben die fünf Marktteilnehmer Going Public Akademie für Finanzberatung, das Defino Institut für Finanznorm, IS2 Intelligent Solution Services, Zielke Research Consult und das Analysehaus Morgen & Morgen ein Tool für den haftungssicheren Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit auf den Markt gebracht: den „ESG-Profiler“. Er soll Vermittler und Kunden sicher und schnell durch den Nachhaltigkeitsdschungel leiten.
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